Über München - Madrid - Lima nach Santa Cruz in Bolivien! Durch einen langen Aufenthalt in Madrid komme ich erst am 01.08 früh morgens sehr erschöpft in Santa Cruz an. Der Vorteil davon ist: Der Jetlag blieb aus! Am nächsten Morgen lernte ich Annette kennen, mit der ich die nächsten 4 1/2 Wochen verbringen werde. In Santa Cruz gibt es zum Mittag erstmal ein reichhaltiges Mahl mit den Freiwilligen der Weltwärts-Gruppe und ich schließe hier auch bereits die ersten neuen Bekanntschaften. Allgemein empfinde ich hier das Essen als sehr verträglich und lecker. :-)
Am folgenden Tag geht es dann auf nach Sucre, die alte Kolonial- und heutige Hauptstadt von Bolivien, um mit der Akklimatisierung zu beginnen. Immerhin liegt Sucre bereits auf 2800m Höhe! Drei Tage später reisen wir nach La Paz. Hier spüre ich zum ersten Mal ein wenig die Höhe, denn beim bergauf laufen komme ich schneller als üblich aus der Puste. Annette kauft hier von den Spenden für das Consultorium auf der Isla das Instrumentarium ein und spart dadurch ein Heidengeld, im Vergleich zu solch einem Einkauf in Deutschland. Nach der Einkaufstour geht die Reise weiter auf die Isla de Sol, wo das neue Consultorium eingeweiht werden soll!
Die erste Feststellung auf der Isla: Wir haben häufiger kein fließendes Wasser und die Dusche verteilt Stromstöße, wenn man nicht aufpasst. Ansonsten ist es hier total schön! Sehr ländlich, sehr friedlich und das Rauschen des Sees wirkt wie ein Meeresrauschen.
Der ansässige Hostelbetreuer Nelson und seine Familie, samt zwei Küken und einer kleinen schwarzen Hündin (Negrita) nehmen uns gut auf und sorgen für unsere Verpflegung.
Am Mittwoch, den 07.08.13 ist es endlich soweit! Das Consultorium wird mit einem großen Fest eingeweiht. In einer Sitzreihe vor dem Rathaus versammeln sich die bedeutsamen Persönlichkeiten und werden sofort mit Luftschlangen und Blumen geschmückt. Eine Dorfkapelle spielt auf ihren Flöten und Trommeln und es wird ein Lamafötus zu Ehren der Pachamama verbrannt. Annette und Max Steiner bekommen feierlich Alpaka Mützen aufgesetzt. Danach werden Reden gehalten, und eine Schulklasse trägt ein Gedicht vor.
Auch der Klinikleiter von Copacabana ist anwesend und durchtrennt feierlich mit Annette das Band vor dem neuen Consultorium. Eine Tafel, gespendet von HI Hostelling (Max Steiner), schmückt die Wand des kleinen Hauses. Dann gibt es Essen, u.a. Quinoa und leckeren Fisch aus dem Titicacasee. Das erstaunliche ist, dass ALLE anwesenden im Rathausraum nahezu gleichzeitig bedient werden. Wie der/die Köche das wohl hinbekommen haben? Danach wird ausgelassen mit Cholitas zur Musik der Kapelle getanzt.
Abends beginnt dann das Besäufnis der Bovilianer und wir ziehen uns unauffällig zurück.
Die nächsten Tage wird es dann ruhiger und das Arbeiten beginnt.
Vormittags begleite ich Annette in die Schulen von Challa und Challapampa, wo wir mit einem Kanu hinfahren. Annette erklärt den Kindern in malerischen Worten auf Spanisch was Karies ist und versucht Ihnen die Wichtigkeit von Prophylaxe zu verdeutlichen. Es wird zusammen gelacht, dann werden gespendete Zahnbürsten verteilt, zusammen Zähne geputzt und anschließend noch fleißig die bleibenden Zähne fluoridiert.
Was wir dabei zu Gesicht bekommen, ist ziemlich erschreckend. Oft ist schon bei den 7 Jährigen der erste bleibende Molar schon komplett zerstört. In den Schulen gibt es auch kein richtiges Essen, nur Süßigkeiten um den Hunger zwischendurch zu Stillen. Überall sieht man Kinder an Zuckertüten nuckeln, Lollis lutschen oder Zuckerkekse naschen. Selten sieht man mal ein Kind mit einer Orange oder einem Apfel, geschweige denn Brot. Und das spiegelt sich leider deutlich an dem Zustand der Zähne wieder.
Da wir zu viert auf der Insel sind - drei Zahnärzte und ich als Student - arbeiten die anderen beiden Zahnärzte am Vormittag im Consultorium während wir in den Schulen unterwegs sind. Nachmittags lösen wir sie in der Praxis ab und machen uns selbst ans Werk. Nach der Schule kommen immer sehr viele Kinder und Jugendliche ohne Begleitung der Eltern eigenständig zum Consultorium! Die Zahnschmerzen müssen sehr unangenehm sein, bei solch einer Motivation! Meist ist es leider schon zu spät und der Zahn kann nur noch gezogen werden. In einigen Fällen war es jedoch auch möglich kleinere oder größere Füllungen zu setzen. Die anderen beiden Zahnärzte haben ein Amalgamrüttler aus Deutschland mitgebracht und so können wir die Zähne mit Kunststoff oder Amalgam füllen, je nach Größe des Defekts.
Viele Bolivianer fragten uns auch nach Interimsprothesen, da die Erwachsenen meist nur noch vereinzelte Zähne im Mund stehen haben. Das wäre in Zukunft vielleicht auch zu überlegen, aber steht wohl erst an hinterer Stelle. Endobehandlungen gestalten sich schwierig, da kein Röntgen möglich ist und auch durch die nur kurzzeitige Anwesenheit von Zahnärzten auf der Isla eine eventuell nötige Nachbehandlung ausbleibt. Am sinnvollsten ist diese Maßnahme wohl an Frontzähnen sehr junger Patienten.
Leider gab schon am dritten Tag das Winkelstück den Geist auf, was die Füllungsarbeiten deutlich erschwerte. Am Wochenende sollte es dann in La Paz gegen ein Neues ausgetauscht werden. Bis dahin hilft nur vorsichtiges glätten mit der Turbine und den Polierstreifen, so gut es eben geht. Die Kinder und Jugendlichen hier sind sehr tapfer! Selten zuckt einer zurück oder macht gar einen Rückzieher. Das ist wirklich erstaunlich denn das hiesige Anästhetikum leistet leider keine gute Arbeit. Die Wirkung ist zu gering und es muss im Vergleich zum USD deutlich häufiger nachgespritzt werden.
Zu hoffen ist, dass die Kinder lernen häufiger ihre Zähne zu putzen und mehr auf sich zu achten. Die Freiwilligen hier fangen schon mit den Kindergartenkindern an, nach dem Frühstück fleißig die Zähne zu putzen. Das fällt aber sichtlich auch den älteren Kindern schwer.
Oft halten sie die Zahnbürste nur mit zwei Fingern und gehen ganz vorsichtig mit der Bürste in den Mund.
Diese Vorsicht ist wohl auch darauf begründet, dass die Kinder hier aufgrund mangelnder Zahnhygiene häufig hoch entzündetes Zahnfleisch haben, welches schon beim sanften anpusten mit dem Sprayvit anfängt zu bluten.
Die Tage auf der Insel Vergehen schnell.
Am Sonntag begehen wir noch den Camino den Inka und dann reisen Annette und ich auch bald schon wieder ab.
Unser nächstes Ziel lautet: Camiri! Ein kleines Städtchen im südlichen Teil von Bolivien.
Dort ist auch geplant vormittags die verschiedenen Schulen in den kleinen Vororten zu besuchen und nachmittags im Krankenhaus von Camiri kostenlos Patienten zu behandeln.
Der angestellte Zahnarzt des Hospitals ist unserer Tätigkeit gegenüber sehr aufgeschlossen und überlässt uns bereitwillig an den Nachmittagen seine Praxis sowie sein Inventar.
Am ersten Tag wird ein Transport von der Schule zum Hospital organisiert und wir können uns kaum retten vor Arbeit. Eigentlich sollten die nächsten Tage auch weitere Transporte organisiert werden, da sich die Leute von außerhalb oft nicht einmal die Fahrt nach Camiri leisten können. Leider fanden aber diese Transporte trotz Absprache nicht statt. Dementsprechend blieb die Praxis am Nachmittag leer, was sehr enttäuschend für uns war. Wenigstens hatten wir vormittags in den Schulen gut zu tun und im Laufe der Woche besuchten wir dann nachmittags mit unserem Aufklärungs/Prophylaxeprogramm noch ein Behindertenheim und einen kleinen Kindergarten, welche sich sehr über die Aufmerksamkeit freuten.
Nach weiteren zehn Tagen war auch dieser Teil der Reise abgeschlossen und es ging für mich zurück nach Sucre um dort meinen Spanischsprachkurs fortzusetzen, während Annette über Santa Cruz weiterreiste. Hier trennten sich also unsere Wege. In der letzten Woche unternahm ich noch die Salz und Silbertour, von der vor allem die drei Tage durch den Salar de Uyuni ein echtes Abenteuer waren!
Abschließend möchte ich feststellen, dass in Bolivien wirklich großer Bedarf an Prophylaxe und Aufklärung über die Ernährungsgewohnheiten herrscht. Die Zähne der Kinder in Camiri waren z.B. schon deutlich besser, als die der Kinder auf der Isla de Sol. Das liegt vermutlich daran das in Camiri auf anständiges Schulessen wertgelegt wird. Schön wäre es, so etwas auch auf der Isla einführen zu können. Jedoch ist es sicher schwer solche festeingefahrenen Gewohnheiten zu ändern. Die meisten Bolivianer auf dem Land können sich keinen Zahnarztbesuch leisten und lassen die Zähne unter Schmerzen bis zum Grund verrotteten. Deswegen wurde die Hilfe gerne angenommen. Das Reißen einzelner Zähne löst aber sicher nicht das Grundproblem.
Ein Bericht von Katharina Wilke